Heaven´s Chest (NC17)

Thema: Heaven´s Chest (NC17) So Aug 03, 2008 1:56 am

Nebel wurde aufgewirbelt. Er zog sich in einem Schleier über den Boden, bis er auf blank polierte, schwarze Schuhspitzen traf und sich dort teilte. Kurze Zeit später erklang ein ersticktes Keuchen und ein Mann taumelte in die riesige, halbdunkle Steinhalle. „Es ist furchtbar! Das reinste Chaos! Überall!“ Luzifer schnalzte mit der Zunge und trat den Nebel beiseite.

Das Leben ist ein Spiel.
Viele leben nach dieser Philosophie. Im Grunde bedeutet es nichts anderes, als dass man sein Leben bis in die Vollen ausschöpfen soll. Dass man nicht immer alles todernst sehen muss, sondern Spaß haben sollte. Wie wahr dieser Satz allerdings ist, wissen nur die wenigsten. Gott und Luzifer spielen ein Spiel. Schach, um genau zu sein. Jede ihrer Figuren repräsentiert ein Wesen in unserem Universum. Sei es nun ein Mensch, ein Engel, ein Dämon, oder etwas viel Mächtigeres. Sie bewegen ihre Figuren Zug um Zug. Jede Partie entscheidet, ob das Gute, oder das Böse siegen wird. Jede Partie ist essentiell wichtig, für den Fortbestand der universellen Ordnung. Das Gleichgewicht zwischen Gut und Böse muss um jeden Preis gewahrt werden, wenn nicht Himmel, Hölle und Erde im totalen Chaos versinken sollen.

“Setz dich Libro, trink einen Schluck und dann erzähl, wie es draußen aussieht.“ Der Mann schien sich nicht beruhigen zu können. „Was trinken? Kann ich nicht Herr, verzeih! Die Welt ist ein Trümmerfeld! Ich habe Tokio gesehen Herr! Die Straßen sind aufgebrochen, ganze Stadtteile sind zerstört, die Menschen sind in Panik!“ Gehetzt sah Libro zwischen Gott und Luzifer hin und her. „Überall wimmelt es von Dämonen! Irgendetwas muss in der Hölle passiert sein! Die Viecher tauchen aus jedem Winkel auf!“

Was passiert jedoch, wenn diese universelle Ordnung kippt? Was passiert, wenn das Schachbrett fällt und die Figuren sich in jeden erdenklichen Winkel von Erde, Himmel und Hölle verteilen? Dann bricht das Band zwischen dem Schöpfer und seiner Schöpfung.
Das Schachbrett liegt zerkratzt am Boden, von den Figuren fehlt jede Spur und zum ersten Mal seit der Entstehung der Zeit, müssen Gott und Luzifer erkennen, dass sie vollkommen machtlos einem Problem gegenüber stehen, während außerhalb ihrer sicheren Welt, das Chaos ausbricht. Die Hierarchien, die alles zusammen halten, sind zusammengebrochen.

Libros Hände zitterten unkontrolliert. „Die Sonne verfinstert sich langsam. Und ich habe sie nicht gefunden, Herr.“ Scheinbar ruhig ließ Luzifer sich auf dem leeren Tisch nieder und betrachtete das am Boden liegende Schachbrett. „Keinen von ihnen?“ Der Punktezähler schüttelte den Kopf. „Weder Metatron, noch Azazel. Auch keinen Erzengel, keine Sünde. Sie sind in alle Winde verstreut.“ Die Schuhe des Herrn klackten auf dem blanken Steinboden. „Finde sie. Trage ihnen auf, dass sie unter allen Umständen die Schachfiguren finden und hier her bringen müssen. Alle. Es darf keine Figur fehlen.“ Luzifer blickte auf. „Als ob die Sünden kooperieren werden, wenn sie niemand kontrolliert.“

Erzengel und Todsünden, Engel und Dämonen, sie alle genießen absolute Narrenfreiheit. Für die einen ist es der pure Luxus. Es ist die Freiheit, die sie sich seit Jahrtausenden wünschen. Es ist vielleicht sogar eine Chance, die ihnen so verhasste Welt der Menschen endlich an sich zu reißen und Gottes liebste Schöpfung ein für alle Mal dem Erdboden gleich zu machen. Für die anderen ist es eine reine Katastrophe. Eine Zeit des Zweifels am eigenen Glauben, der eigenen Treue gegenüber ihrer Herren und vielleicht auch eine Zeit des Kampfes, um die Ordnung irgendwie wieder herzustellen.

“Wie sieht es in den Dimensionen aus?“ Libro setzte sich auf seine Hände, um das Zittern zu unterdrücken. „Ich weiß es nicht. Überall sind Dämonen. Zumindest in der Hölle muss einen größeren Schaden geben.“ Der Teufel nickte bedächtig. „Klingt als wären die Tore offen. Wollen wir hoffen, dass wenigstens die des Himmels geschlossen bleiben.“

Es herrscht Krieg zwischen den Wesen des Lichtes und denen des Dunkels. Krieg darum, ob die neu gewonnen Freiheit wieder zum Schutze der Ordnung aufgegeben werden soll. Allerdings ist dies kein Kampf zwischen Gut und Böse. Es ist ein Kampf zwischen Treu und Untreu, zwischen Hierarchie und Chaos. Vielleicht kämpfen Licht und Dunkel Seite an Seite. Vielleicht müssen sie gegen ihre geliebten Geschwister antreten. Vielleicht wird ihr Licht aber auch ausgelöscht, wenn ein Wesen aus Versehen die wertvolle Schachfigur zerstört, an der ihr Leben hängt.

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